Heisenberg, August, Dr. phil. o. .Professor der mittel- und neugriechischen Philologie an der Universität München,
a.o.Mitglied der Kgl. Bayer. Akademie der Wissenschaften, ev., MÜnchen, Hohenzollernstr. 110/III.
1898: August als Student | Am 13.November (18)69 kam ich in Osnabrück in einem evangelischen Bürgerhause zur Welt. Mein Vater war in jungen Jahren, nachdem er das Schlosserhandwerk erlernt hatte, weit in Deutschland herumgekommen; in die Heimat zurückgekehrt, erwarb er von seinem Lehrherrn Haus und Hof, Werkstatt, Garten und Acker und wurde selbst Bürger und Meister. Er stammte wie meine Mutter von Bauern ab. Ich verbrachte die Kinderjahre mit zahlreichen Geschwistern im glücklichen Familienleben, besuchte die Bürgerschule und das Ratsgymnasium meiner Vaterstadt und liess mich Ostern 88 auf die Universität Marburg inskribieren. Philologisch-historische Studien wollte ich treiben, Lateinisch, Griechisch, Germanistik und Geschichte. Da eine alte Neigung zur Theologie mich im Anfang der Universitätszeit noch über die Wahl des künftigen Berufes schwanken liess, erachtete ich es als ein Glück, dass Adolf Harnack, der damals in Marburg lehrte, dem jungen Studenten in einer langen Unterredung, endgültig die Richtung auf die philologisch-historische Studien wies. Es hat sich aber glücklich gefügt, dass ich später in das Arbeitsgebiet der byzantinischen Philologie gekommen bin, auf dem sich nur wohl fühlen kann, wer für theologische Probleme Liebe und Verständnis hegt. Im übrigen trieb ich in Marburg in erster Linie germanistische und historische Studien. Nach zwei Semestern wandte ich mich nach München. |
Nach einem Jahr stand der Entschluss fest, in Bayern zu bleiben. Ein Sommersemester 90 in Leipzig, wohin ich auf Wunsch meiner Angehörigen ging, da meine Zukunftspläne allerlei Bedenken wachriefen, bestärkte nur meine Absicht. Nach weiteren zwei Münchner Semestern erwarb ich die bayrische Staatsangehörigkeit und bestand mit Glück das erste Staatsexamen.
Es folgten dann frohe Jahre der ersten selbständigen wissenschaftlichen Arbeit. Dazu machte ich am Maximiliansgymnasium in München freiwillig ein pädagogisches Praktikum durch; denn das Lehramt interessierte mich, auch Privatstunden waren mir nicht beschwerlich.Bald nach dem Staatsexamen hatte eine kurze Studienreise mich in die Bibliotheken von Oberitalien bis nach Florenz geführt. Meine erste Anstellung als Lehrer erhielt ich am Gymnasium zu Landau in der Pfalz, doch wurde ich schon nach anderthalb Jahren wieder nach München an das Maximiliansgymnasium versetzt. Der Staatskonkurs und das Rigorosum waren inzwischen auch absolviert und die wissenschaftliche Arbeit nahm bestimmter die Richtung auf die byzantinische Geschichtschreibung. Noch einmal unterbrach das Militärjahr den geraden Weg der Studien; ich wurde in meiner Heimat Osnabrück Soldat im Ostfriesischen Infanterie Regiment Nr. 7s. Es war nicht ganz leicht, während des Dienstes die Zeit zu finden, um Druckbogen meiner Blemmydesausgabe zu korrigieren, die damals erschien; aber ich machte Felddienst mit dem gleichen Vergnügen wie Emendationen und bin auch späterhin bei meinen wackeren Ostfriesen immer mit grösster Freude Soldat gewesen; als ich vor kurzem als Oberleutnant der Landwehr um meinen Abschied bat, geschah es mit schwerem Herzen. |
![]() | Meine Schüler und ich haben uns immer wundervoll verstanden, nicht der leiseste Misston trübt mir die Erinnerung an sie, deren Anhänglichkeit ich jetzt oft mit Freuden empfinde. Aber weil ich die Schule nicht vernachlässigen und doch die Vorlesungen gründlich vorbereiten, ausserdem aber mich an der wissenschaftlichen Arbeit weiter beteiligen wollte, musste die Arbeitszeit gedehnt werden bis weit über den Tag hinaus; es ist verzeihlich, wenn ich zuweilen mein Schicksal mit dem der glücklicheren Philologen verglich, die ihre ganze Kraft und Zeit in den Dienst der Wissenschaft allein stecken konnten. |
An der Universität Würzburg war es allmählich gelungen, den mittel- und neugriechischen Studien Anhänger unter den Studierenden zu gewinnen. Ein kleiner Bücherbestand war mit der Zeit geschaffen worden, dann auch eine Art Seminar, in dem fleissig gearbeitet wurde; die Universität beschloss ein Extraordinariat für mein Fach zu gründen. Da starb am 12. Dezember 09 mein Lehrer, Karl Krumbacher, und ich wurde als Nachfolger an unsere Universität berufen; seit dem Jahre 11 gehöre ich der Bayerischen Akademie der Wissenschaften als a.o. Mitglied an.
Die Aufgaben, die ich in München zu erfüllen habe, liegen mir klar vor Augen: es ist mit einem Worte die Erhaltung und Fortsetzung des grossen Werkes, das Karl Krumbacher als Begründer der modernen mittel- und neugriechischen Philologie geschaffen hat. Im Mittelpunkt steht das mittel- und neugriechische Seminar an unserer Universität, das nicht nur eine philologisch-historische Schule für junge Studierende, sondern ausserdem und vor allen Dingen Forschungs-institut sein soll. Es ist bis jetzt das einzige seiner Art in Europa und enthält, besonders seitdem ihm Krumbacher letztwillig seine Bücherschätze überwiesen hat, eine unvergleichliche Spezial-bibliothek, die sich lebhafter Fürsorge von seiten des Staates und der Universität erfreut. Sie bedarf insbesondere nach der kunsthistorischen Seite hin noch des Ausbaus, wird aber auch jetzt schon alljährlich von einer auserlesenen Schar von Gelehrten aufgesucht.
August
im Jahre 1929
Meine
Lehrtätigkeit fanden das Schwergewicht im Seminar; daneben versuche ich in den
auf dem Gebiete der Sprache
und Literatur, Kunst und
Geschichte meinen Zuhörern nahe zu bringen und treibe mit besonderer Liebe
historische Grammatik. Vorbedingung für alles selbständige Arbeiten in der
byzantinischen Philologie ist die Vertrautheit mit den Denkmälern der
literarischen Überlieferung, den griechischen Handschriften, und mit der Kunst
der Entzifferung. Nirgends in Deutschland aber ist die Gelegenheit zu Studien
in der griechischen Paläographie so wundervoll geboten wie in München, wo
unsere Hof- und Staatsbibliothek ihre kostbaren Schätze griechischer
Handschriften birgt.
Der ganze Reichtum dieser Sammlung ist heute noch bei
weitem nicht ausgeschöpft, er muss in vieler Beziehung erst erschlossen werden.
Der grössere Teil der hier in Handschriften aufbewahrten Denkmäler gehört der
byzantinischen Literatur an, aber auch die Überlieferungsgeschichte des
griechischen Mittelalters. So habe ich nach Pregers Tode (10) gern die
Aufgabe übernommen, den von ihm begonnenen wissenschaftlichen Katalog der
griechischen Handschriften weiter-zuführen, doch wird die Arbeit noch mehrere
Jahre in Anspruch nehmen.
Auch
andere grosse Aufgaben bleiben ausserdem zu erledigen. Die Bayerische Akademie
der Wissenschaften hegt die mittel- und neugriechischen Studien mit besonderer
Fürsorge, die Mittel der Thereianosstiftung werden ihnen in reichlichem Masse
zugewendet. Mit Unterstützung unserer Akademie gründete Krumbacher im Jahre 92
die Byzantinische Zeitschrift, die durch ihn allmählich das internationale
Zentralorgan für die byzantinischen Studien geworden ist. Seit Krumbachers Tode
ist ihre Leitung von der Akademie mir anvertraut worden, ausgezeichnete
Mitarbeiter helfen die Zeitschrift in den bewährten Bahnen weiterzuführen.
Unsere Akademie
beteiligt sich eifrig an den Unternehmungen der Association internationale
des academies. Insbesondere hat sie es im Verein mit der Wiener Akademie
der Wissenschaften übernommen, ein umfassendes Corpus der griechischen Urkunden
des Mittelalters und der Neuzeit zu schaffen, das für die Erforschung der
Geschichte des osteuropäischen Mittelalters von grösster Bedeutung sein wird.
Die Arbeiten sind bisher über vorbereitende Massnahmen und Sammlung des
Materials nicht hinausgekommen, doch lassen sich bereits einzelne Aufgaben
bestimmter umgrenzen, so dass die Arbeit voraussichtlich bald lebhaft in Fluss
kommen wird.
Die
Beziehungen von München zum neuen Griechenland waren einst ganz besonders eng;
die Begeisterung König Ludwigs I. für die Freiheit von Hellas und seine Hingabe
an die edlen Gedanken des Philhellenismus bilden ein Ankerplatz in der
Geschichte Bayerns und seines Königshauses. Seit jener Zeit hat die Pflege der
mittel- und neugriechischen Philologie in München niemals aufgehört; weder im
Ausland noch anderswo in Deutschland ist ihr solche Fürsorge zuteil geworden
wie gerade hier. Nur München besitzt von den deutschen Universitäten eine
die diese Wissenschaft, die hier seit einem Jahrhundert durch Männer wie , ,
Christ, Krumbacher ununterbrochen die eifrigste Pflege gefunden Nicht etwas
Neues gilt es jetzt zu schaffen, sondern auf der alten Grundlage weiterzubauen
und das grosse Werk nach allen Seiten auszugestalten.